Von Bier, Weib und Wald
Colbitz – ein Dorf in der Heide
Stolpert man beim Spaziergang am Sonntagmorgen auf dem Marktplatz über Bierleichen, die unter, auf oder neben den Holztischen genächtigt haben, ist das ein untrügliches Zeichen dafür, dass mal wieder Heidefest in Colbitz ist. Das Fest mit dem traditionellen Bockbieranstich und der seit 1996 zur Tradition erhobenen Krönung der Heidekönigin, ist in dem Dorf mit seinen knapp 3.400 Einwohnern der unumstrittene Höhepunkt des Jahres. Rummel, verschiedenste Konzerte, Ausstellungen und Shows, Disco im Festzelt und natürlich das Bier ziehen zahlreiche Gäste aus der Umgebung an. Doch nicht nur an diesem zweiten Wochenende im September vermarktet sich die Gemeinde, die 20 km nördlich von Magdeburg liegt, gut.
Seit den neunziger Jahren hat sich der Tourismus zu einem wichtigen Wirtschaftszweig in Colbitz entwickelt. Vorher war es die Landwirtschaft, die die Gemeinde prägte. Die an den Ort grenzende Heide bot lediglich ein Ziel für den Wochenendausflug urban gestresster Großstädter. Heute locken modernisierte Gasthöfe, Restaurants und Campingplätze auch anspruchsvolle Naturliebhaber an.
Das Forsthaus Rabensol, ein Waldgasthof mit sozialistischem Charme, liegt unweit zweier Wanderwege durch den südöstlichen Teil der größten zusammenhängenden Heidelandschaft Mitteleuropas. Naturlehrtafeln machen aufmerksam auf die hier lebenden bedrohten Tier- und Pflanzenarten. Im Herzen dieses Mischwaldes aus Kiefern und Eichen versteckt sich der größte Lindenwald Europas. Seine Fläche entspricht der der Insel Fehmarn. Diesen Teil der Colbitz-Letzlinger Heide kann man auf amüsante Weise mit einer botanischen oder historisch-mythologischen Führung – inklusive eines Überfalls durch räuberisches Gesindel – entdecken.
Macht man sich alleine auf den Weg, sollte man von diesem nicht abkommen, sonst findet man sich womöglich vor dem Kanonenrohr eines Panzers wieder. Denn ein großer Teil der Heide wird militärisch genutzt. Friedenswege der Bürgerinitiative „Freie Heide“ gegen die militärische Nutzung des Waldgebietes waren bislang erfolglos.
Dabei wäre eine natürlich wachsende Landschaft nicht nur im Interesse der Umwelt- und Tourismusverbände, sondern auch des Colbitzer Wasserwerks. Es fördert das Grundwasser, was sich in einem Becken unter der Heide sammelt, und versorgt etwa 700.000 Menschen mit Trinkwasser.
Veredelt wird das Wasser in der ortsansässigen Heidebrauerei, wo es zu „Heide-Pils“ und im Herbst auch zum traditionellen „Heide-Bockbier“ verarbeitet wird. So geben Heide und Wasser in jedem Jahr einen guten Grund zum Feiern.